Heinz-Nixdorf-Berufskolleg – Retrofit als Studienprojekt
Wie ein Berufskolleg mit ifm alte Maschinen fit für die digitale Zukunft macht
Das Heinz-Nixdorf-Berufskolleg in Essen setzt als eines der führenden Bildungszentren für Elektrotechnik und Informationstechnik auf praxisnahe Wissensvermittlung. In enger Kooperation mit Industrieunternehmen werden dort Lernprojekte umgesetzt, die aktuelle technologische Entwicklungen widerspiegeln. Ziel ist es, angehenden Technikern/-innen und Ingenieuren/-innen nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch praktische Kompetenzen im Umgang mit modernen Automatisierungs- und Digitalisierungslösungen zu vermitteln. Eine besondere Herausforderung stellte die Digitalisierung und Modernisierung einer in die Jahre gekommenen Werkzeugmaschine dar – ein Projekt, das gemeinsam mit dem Automatisierungsspezialisten ifm realisiert wurde.
Im Mittelpunkt des Projekts stand das Vorhaben, eine ältere Werkzeugmaschine durch ein gezieltes Retrofit auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Die Aufgabenstellung war klar umrissen: Aufbau eines Condition Monitoring Systems zur vorausschauenden Instandhaltung (Predictive Maintenance), ohne tiefgreifende Eingriffe in die Maschinensubstanz vorzunehmen. „Das Ziel war ein minimalinvasives Retrofit – wir wollten Sensoren so integrieren, dass sie kaum auffallen und die Kompatibilität zu verschiedensten Systemen erhalten bleibt“, erklärt Patrick Bonneval, staatlich geprüfter Techniker am Heinz-Nixdorf-Berufskolleg. Die Herausforderung bestand dabei nicht nur in der technischen Umsetzung, sondern auch darin, eine Plattform zu schaffen, die sowohl als Proof-of-Concept für Industrie-4.0-taugliche Upgrades als auch zu Schulungszwecken vielfältig einsetzbar ist. Insbesondere die Anbindung der neuen Sensorik an bestehende Strukturen und die Digitalisierung der Maschinendaten erforderten innovative Lösungen.
Intelligente Sensorik, IO-Link und edge-Konnektivität von ifm
Die technische Lösung wurde mit einer Vielzahl von ifm-Komponenten realisiert. Im Zentrum stand der Einsatz von IO-Link-fähigen Sensoren wie dem optischen Distanzsensor OGD sowie dem Füllstands- und Temperatursensor LT, die zusammen mit einem IO-Link-Master und einem edgeGateway (AE2100) die Basis für die Datenerfassung und -verarbeitung bildeten.
Bild 1: Mittels Lichtlaufzeitmessung ermittelt ein Distanzsensor vom Typ OGD millimetergenau die Position des Schlittens und gibt den Abstandswert per IO-Link aus.
Bild 2: Anhand der Nuten in der Welle erfasst ein induktiver Sensor die Drehzahl.
Ergänzt wurde das System durch einen Schwingungssensor VSA005 und eine dazu passende Auswerteeinheit VSE150, die speziell für die Schwingungsdiagnose von Wälzlagern parametrisiert wurde. „Mit der IO-Link-Sensorik erfassen wir nicht nur die Schlittenposition, sondern auch relevante Kenndaten des Kühlschmierstoffs. Das Herzstück ist jedoch die hochauflösende Schwingungsdiagnostik, mit der wir den Zustand von Lagern detailliert überwachen können“, berichtet Patrick Bonneval weiter.
Die Integration der Sensorik in die bestehende Maschine gestaltete sich durch das IO-Link-System besonders effizient. „IO-Link hat uns viel Arbeit abgenommen, da es sehr einfach zu implementieren ist und eine unkomplizierte Erweiterung des Systems ermöglicht“, bestätigt Pascal Heider, staatlich geprüfter Techniker am Heinz-Nixdorf-Berufskolleg.
Der IO-Link-Master sammelt die Daten der angebundenen Sensoren ein und übermittelt diese gebündelt an das edgeGateway. Dieses sorgt zudem für die sichere Trennung von Operational Technology (OT) und Informationstechnologie (IT).
„Das edgeGateway ist der zentrale Datenpunkt unserer Sensorik“, erklärt Pascal Heider. „Hier laufen die Daten zusammen, werden vorverarbeitet und an unsere Server-Lösung, einen Raspberry Pi, weitergegeben.“ So rechnet das edgeGateway beispielsweise die Füllstandwerte des Sensors von Zentimetern in Liter um. Auf dem Raspberry Pi laufen dann verschiedene Instanzen, um die Daten einzufangen, weiter zu verarbeiten und schließlich zu visualisieren.
Transparenz, Wartungsoptimierung und Zukunftsfähigkeit
Durch die Modernisierung mit ifm-Technologie wurden mehrere zentrale Vorteile erzielt. Die Maschine ist nun in der Lage, Echtzeitdaten zu liefern, die für Condition Monitoring und Predictive Maintenance genutzt werden. „Mit der kontinuierlichen Überwachung der Schwingungsdaten können wir nicht nur den Zustand einzelner Lagerkomponenten präzise bestimmen, sondern auch ungeplante Stillstände gezielt vermeiden“, erläutert Patrick Bonneval. Die Möglichkeit, Fehlerbilder am Wälzlager frühzeitig zu erkennen, steigert die Anlagenverfügbarkeit und reduziert das Risiko von Produktionsausfällen erheblich.
Bild 1: Das „Ohr“ an der Maschine: Der Schwingungssensor VSA005 erfasst die Schwingungsspektren sämtlicher Wälzlager im Antrieb der Maschine.
Bild 2: Netzteil, Schwingungsdiagnose-Auswerteeinheit und IO-Link-Master im Schaltschrank der Anlage.
Bild 3: Im edgeGateway (rechts) laufen die Sensordaten zusammen, werden dort vorverarbeitet und dann an den Server weitergeleitet.
Studierende sammeln wertvolle Praxiserfahrung
Für die Studierenden bot das Projekt eine einzigartige Gelegenheit, sich mit zukunftsweisenden Industrie 4.0-Technologien auseinanderzusetzen und wertvolle Praxiserfahrung zu sammeln. „Wir wollten mit dem Retrofit beweisen, dass es möglich ist, auch ältere Maschinen auf einen neuen Standard zu heben“, resümiert Philip Bourgon, staatlich geprüfter Techniker am Heinz-Nixdorf-Berufskolleg. Die erfassten Daten dienen den angehenden Automatisierungstechnikern nun als Grundlage, um Spektralanalysen durchzuführen und Condition Monitoring im industriellen Kontext zu erlernen.
Auch aus Sicht der Schule hat sich die Zusammenarbeit bewährt: „Der Ansatz für dieses Projekt kommt aus unserer neuen Fachschule für Automatisierungstechnik und digitale Produktionstechnik“, erläutert Dr. Markus Steffens, Leiter der Fachschule Technik am Heinz-Nixdorf-Berufskolleg . „Wir wollten einen Lernträger entwickeln, an dem die Studierenden im Rahmen eines Retrofits modernste Sensorik, Datenübertragung und -auswertung anwenden können. Durch die Kooperation mit ifm ist das hervorragend gelungen.“
Nicht zuletzt hebt Tobias Kunze, Director Regional Sales bei ifm, die enge Zusammenarbeit hervor: „Wir unterstützen unsere Bildungspartner nicht nur mit Hardware, sondern auch mit technischem Support. So können junge Talente direkt an zukunftsweisenden Technologien lernen und praktische Erfahrung sammeln.“ Die einfache Integration der ifm-Lösungen und die Unterstützung bei der Parametrierung der Schwingungsdiagnose trugen maßgeblich zum Erfolg des Projekts bei.
Fazit
Das Retrofit-Projekt am Heinz-Nixdorf-Berufskolleg demonstriert anschaulich, wie sich mit intelligenter Sensorik und moderner Datenanbindung von ifm bestehende Maschinen nachhaltig auf den Stand von Industrie 4.0 bringen lassen. Die Zusammenarbeit fördert nicht nur die digitale Transformation in der Industrie, sondern sorgt auch für praxisnahe Ausbildungskonzepte, die den Nachwuchs fit für die Anforderungen der Zukunft machen.
Betriebs- und Schwingungsdaten lassen sich übersichtlich darstellen. Bei Überschreitung von Grenzwerten wird eine Alarmmeldung ausgegeben.
Das Team: Tobias Kunze (ifm) und vom Berufskolleg Dr. Markus Steffens, Pascal Heider, Patrick Bonneval, Philip Bourgon.