Gerber Humidore – Digitalisierung im Zigarrenschrank
Industrielle Automatisierungstechnik für perfektes Klima im Humidor
Die Lagerung kostbarer Zigarren gleicht einer Wissenschaft. Echte Liebhaber scheuen keine Kosten, um die gewickelten Tabakblätter in repräsentativen Humidoren aufzubewahren. Was nicht sichtbar ist: Hinter der Fassade sorgt eine ausgeklügelte Technik für gleichbleibende Luftfeuchte, um die Aromen und die Konsistenz der Zigarre im optimalen Zustand zu halten.
Karl-Heinz Gerber leitet das Unternehmen heute in fünfter Generation und erklärt: „Wir sind immer noch eine klassische Tischlerei, decken aber darüber hinaus mit Ladenbau, Innenausbau, Messebau ein breites Spektrum ab. Vor einigen Jahren haben wir dann die ‚Gerber Humidore‘ ins Leben gerufen. Diese Marke steht für die Leidenschaft, das perfekte, individuelle Möbelstück mit einer ebenso perfekten Befeuchtung für den Zigarren-Liebhaber zu erschaffen. Unser Anspruch ist es, die schönsten Humidore der Welt zu bauen. Dafür greifen wir dann auch zu den besten und teuersten Hölzern auf dem Markt.“ So wundert es nicht, dass zum Kundenkreis Hollywood-Größen oder bekannte Fußballstars zählen.
Umfassendes Know-how gefragt
Rein technologisch betrachtet sorgt ein Humidor dafür, dass die Zigarre optimal, und damit wert- und qualitätserhaltend, gelagert wird. Die Ansprüche der Kunden sind hoch, das weiß Karl-Heinz Gerber: „Man muss ein sehr fundiertes technisches Know-how haben, um eine optimale Luftfeuchtigkeit in diesen Humidoren zu erzeugen. Je nach Geschmack und Vorliebe des jeweiligen Zigarrenliebhabers ist dieser Wert einstellbar. Das Komplizierte ist, dass die äußeren klimatischen Bedingungen auf die Humidore einwirken.“ Deshalb bietet Gerber in seinen Humidoren eine automatische Luftfeuchteregelung an, die zusammen mit dem Automatisierungsspezialisten ifm entwickelt und umgesetzt wurde.
„Wir messen und regeln die Be- und Entfeuchtung. Dabei berücksichtigen wir die Umgebungsfeuchte, die in Ländern weltweit sehr unterschiedlich sein kann. Gleichzeitig müssen wir die Ventilation regeln. Alles in allem also eine sehr individuelle und komplexe Situation. Die Kunst besteht darin, auf allen Ebenen im Schrank eine perfekte Luftfeuchtigkeit sicherzustellen. Dazu benötigt man Erfahrung und natürlich auch das technische Equipment“, so Gerber.
Partner mit internationaler Erfahrung gesucht
Als Gerber vor ein paar Jahren die Automatisierung seiner Humidore vorantreiben wollte, suchte die Tischlerei einen Partner, der sowohl auf dem deutschen als auch auf dem internationalen Markt tätig ist und aus dem Industriebereich kommt. Die Notwendigkeit erklärt der Firmenchef: „Wir liefern unsere Humidore weltweit aus und wollen dabei wartungsfreie Lösungen anbieten, denn internationaler Support ist zeitaufwändig und kostenintensiv. Unsere Kunden lagern in unseren Humidoren sehr hochwertige Zigarren, da reden wir über fünfstellige oder sechsstellige Werte. Deshalb brauchten wir einen Partner, der uns mit zuverlässiger Technik unterstützt. Wir haben recherchiert und haben ihn mit ifm schließlich gefunden.“
Anforderung: Einfache Verkabelung und Fernwartung
In der Duisburger Tischlerei werden die oft schrankgroßen Humidore nach allen Regeln der Handwerkskunst aus edlen Hölzern und Furnieren zusammengesetzt und mit den elektronischen Komponenten zur Feuchtigkeitsregulation ausgestattet. Nach einem ausführlichen Test müssen die Humidore jedoch für den Versand wieder zerlegt und verpackt werden. „Wir müssen sicherstellen, dass unsere Humidore überall auf der Welt problemlos in Betrieb gehen können und dauerhaft einwandfrei funktionieren. Deshalb haben wir uns zur Verbindung der elektronischen Komponenten für ein einfach zu benutzendes Steckersystem entschieden, also Plug and Play. Eine weitere Anforderung für uns ist die Fernwartung, also die Fähigkeit, Anpassungen vornehmen zu können, um zum Beispiel auf Veränderungen von Gewohnheiten oder Klima zu reagieren, etwa mit Hilfe intelligenter KI-Systeme“, erklärt Karl-Heinz Gerber.
Deshalb sind alle Sensoren IO-Link-fähig und werden über ein IO-Link-Master-Modul angeschlossen. Dieses überträgt die Daten gebündelt per EtherNet/IP-Schnittstelle an die Steuerung. Der Vorteil dieser IO-Link-Kommunikation liegt darin, dass sie nicht nur die Parametrierung der Sensoren von der Steuerungsseite aus ermöglicht, sondern auch einen Einblick in den Sensor gewährt. Dies ermöglicht beispielsweise das Auslesen von in den Sensoren gespeicherten Minimal- und Maximalwerten. Im Sensor hinterlegte Diagnoseparameter sind ebenfalls von der Steuerung aus abrufbar, was im Fehlerfall eine schnelle und punktgenaue Analyse ermöglicht.
Die in den Humidoren eingebauten Aktoren wie Lüfter oder Beleuchtung werden ebenfalls über den IO-Link-Master gesteuert. Der Vorteil liegt dabei in den standardisierten M12-Steckverbindungen. Weder beim Zusammenbau noch beim Austausch von Komponenten ist eine Elektrofachkraft erforderlich – es müssen lediglich Stecker an das Modul angeschraubt werden, wodurch Verdrahtungsfehler ausgeschlossen sind.
Humidore sorgen für optimale Luftfeuchtigkeit, um kostbare Zigarren perfekt zu lagern.
Alles aus einer Hand
Die Implementierung der Steuerungstechnik sowie die Entwicklung der Software hat Dirk Scheffler, Senior Field Technical Sales Engineer bei ifm, maßgeblich mitgestaltet: „Sämtliche Automatisierungskomponenten sollten aus einer Hand kommen. Daher fiel die Wahl auf den edgeController von ifm als zentrale Steuerungseinheit. Dieses Gerät erfüllt alle Hauptanforderungen von Gerber: einfache Verdrahtung, hoher Diagnosegrad sowohl bei der Inbetriebnahme als auch beim Endkunden, ansprechende Visualisierung und die Möglichkeit der Fernwartung.“
Herzstück edgeController – wahres Multitalent
Der edgeController von ifm ist weitaus mehr als nur eine klassische SPS. Bereits auf den ersten Blick fällt das beeindruckende 12,3 Zoll große Grafik-Display auf der Oberseite des Geräts auf, das mit 1280 x 480 Pixeln auflöst und somit anspruchsvolle Visualisierungen ermöglicht. Für die Humidore setzt Gerber auf eine fotorealistische Darstellung, bei der der entscheidende Messwert, die Luftfeuchte, auf einem virtuellen analogen Hygrometer stilvoll visualisiert wird. Darüber hinaus kann der Anwender zwischen verschiedenen Ansichten wählen, zum Beispiel, um sich die Messwerthistorie anzusehen oder Einstellungen vorzunehmen.
Die eigentliche Programmabarbeitung wird von einem leistungsstarken 1,3 GHz Quadcore-Prozessor übernommen, der bei Umgebungstemperaturen bis zu 60 °C auf vollem Leistungsniveau arbeitet. Die Programmierung erfolgt in CODESYS V3.5.
Ein herausragendes Merkmal des edgeControllers ist seine umfassende Konnektivität. Ob als Gateway zur IT-Ebene oder als Verbindung zur Cloud: Der edgeController kann die erfassten und aufbereiteten Daten in die gängigsten Cloud-Plattformen wie AWS, Microsoft Azure, Google Cloud und AnyViz übermitteln. Darüber hinaus unterstützt der edgeController die führenden Standardsprachen der Digitalisierung, darunter OPC-UA und MQTT. Für Echtzeitdatenerfassung und -verarbeitung können Industrial-Ethernet-Protokolle wie EtherCAT, EtherNet/IP oder Modbus TCP genutzt werden.
Eine weitere Eigenschaft, die Gerber wichtig ist, erklärt Dirk Scheffler: „Der edgeController ist das erste Produkt der ifm, in dem ein Automation Server implementiert ist. Sollten also Probleme auftauchen, kann man sich ganz einfach per Fernwartung aufschalten. Es genügt der Anschluss des edgeControllers per LAN-Kabel beispielsweise an einen Router.“
Dabei ermöglicht die IO-Link-Infrastruktur einen Blick bis hinein in jeden einzelnen Sensor, was eine detaillierte und zielsichere (Fern-)Diagnose erlaubt. Sind tiefgreifende Anpassungen erforderlich kann Gerber diese ebenfalls per Fernwartung vornehmen. „Ein weiterer Vorteil des integrierten Automation-Servers ist das einfache Aufspielen von Updates“, ergänzt Scheffler.
Bild 1: Die Messwert-Historie lässt sich auf dem breiten Display übersichtlich darstellen.
Bild 2: Das Touch-Display des edgeControllers zur Anzeige und Einstellung der Werte fügt sich nahtlos ins edle Ambiente ein. Große Humidore sind in mehrere klimatische Bereiche aufgeteilt.
Zuverlässige Stromversorgung
Ein bedeutender Aspekt sind Spannungsschwankungen. In einigen Teilen der Welt ist das Stromnetz längst nicht so konstant stabil wie in Deutschland. Die ifm-Netzteile bieten hier einen entscheidenden Pluspunkt, indem sie mit einem weiten Eingangsspannungsbereich von 110 bis 300 V AC ausreichend Puffer bieten, um Spannungsschwankungen weitgehend auszugleichen und somit einen kontinuierlichen Betrieb der Humidore zu gewährleisten. Außerdem sind die Netzteile intelligent, indem sie per IO-Link zum Beispiel Diagnosewerte wie Ausgangsspannung, Lastströme, Netzqualität oder die Auslöseursache von automatischen Abschaltungen im Fehlerfall kommunizieren. Integrierte elektronische Sicherungen schaffen zusätzliche Sicherheit gegen Überlastung und Kurzschluss. Das Zurücksetzen der Sicherungen ist über IO-Link möglich.
Weitere separate elektronische Sicherungen im Sekundärkreis tragen zusätzlich zur Sicherheit bei, indem sie im Fehlerfall selektives Abschalten einzelner Komponenten ermöglichen. Diese Sicherungen sind ebenfalls IO-Link-fähig, was über den edgeController im Fehlerfall eine umfassende Diagnose ermöglicht.
Erfolgreiche Umsetzung
Die Umsetzung dieses Projekts markierte für sowohl Gerber als auch ifm eine Premiere, da der edgeController hier erstmals zum Einsatz kam. Karl-Heinz Gerber zieht eine positive Bilanz: „Gemeinsam haben wir erhebliche Entwicklungsarbeit geleistet. Die Software musste von Grund auf entwickelt werden, oft sogar außerhalb der regulären Arbeitszeiten. Wenn man für ein Projekt brennt, ist das wunderbar. Der Service von ifm ist ebenfalls erstklassig. Wir können uns darauf verlassen, dass wir einen Support haben, der sofort reagiert. Über die letzten Jahre haben wir viel Entwicklungsarbeit geleistet, und ich kann nur sagen: sensationell. Ich hoffe, dass dieser Erfolgskurs weitergeht.“
Manufaktur auf höchstem Niveau für anspruchsvolle Unikate.
Fazit
Die Symbiose aus erstklassiger Manufaktur und High-End-Technologie wird in diesem Projekt eindrucksvoll demonstriert. Es zeigt, dass industrielle Automatisierungstechnik auch in exklusiven Umgebungen überzeugt und die Synergien zu einem perfekten Wellness-Produkt für Zigarren führen.