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Zukunftsfähige Automatisierungstechnik

26.01.21

Sensoren werden laut Ifm-Chef Buck intelligenter und kommunikativer

Die Digitalisierung verändert die Industrie und so auch die Anforderungen an die Automatisierungstechnik. Im Interview mit KEM Konstruktion erklärt Martin Buck, Vorsitzender des Vorstandes, IFM-Stiftung & Co. KG, was das für die Sensorik der Zukunft bedeutet und wieso Standards wie IO-Link wichtig für das Gelingen der Industrie 4.0 sind.

» Interview: Johannes Gillar, stellvertretender Chefredakteur KEM Konstruktion

 

KEM Konstruktion: IFM Electronic gehört zu den weltweit führenden Sensorspezialisten im Bereich der industriellen Automatisierung. Welche technischen Trends bestimmen derzeit den Markt der Sensortechnik?

Buck: Über viele Jahrzehnte hat die Sensorik hauptsächlich binäre Sensorsignale für die Steuerung geliefert. Mittlerweile werden Sensorsignale verwendet, um zu schauen wie es der Maschine „geht“. Es werden also im Rahmen einer Zustandsüberwachung zunehmend Maschinen- und Fabrikdaten erfasst. Dadurch verändern sich auch die Anforderungen an die Sensorik. Daraus ergibt sich der Trend hin zu drahtlosen Sensoren. Zudem lassen sich Fabriken gegenüber Kabellösungen schneller und einfacher drahtlos vernetzen. Ein zweiter Trend ist das Thema Security, denn die Fabrik öffnet sich nach außen ins Internet. Damit müssen in den Automatisierungskomponenten auch Security-Features berücksichtigt werden.

KEM Konstruktion: Welche Herausforderungen muss ein Anbieter von Sensortechnik meistern, um auch in Zeiten der Digitalisierung beziehungsweise der Industrie 4.0 wettbewerbsfähig zu bleiben? Wie ändert sich die Rolle des Sensorherstellers IFM?

Buck: Wir entwickeln uns vor diesem Hintergrund zunehmend zum Lösungsanbieter. IFM bietet Sensoren nicht mehr nur als Komponente an, sondern beschäftigt sich mit einer Problemstellung beim Kunden und bietet ihm mehrere Komponenten an, die in der Kombination eine Lösung für das Problem des Kunden darstellen. Zu solch einer Lösung gehören neben den Komponenten Sensor, Verbindungstechnik, IO-Link Master und Edge Gateway auch eine Parametrierung sowie Software.

KEM Konstruktion: Zu den Grundgedanken von Industrie 4.0 gehören sich selbstoptimierende Prozesse und Fertigungseinrichtungen. Zwar sind für viele Standardprozesse Sensortechnologien vorhanden, die bevorzugt zur Echtzeitsteuerung zum Einsatz kommen. Was aber zeichnet den Sensor der Zukunft aus?

Buck: Die Sensoren der Zukunft werden nicht wie in der Vergangenheit nur ein Signal abgeben, sondern mehrere. Möglich wird das durch IO-Link. Denn IO-Link kann an Steuerungssysteme mit Ethernet-basierten Feldbus-Systemen angebunden werden. Die Datenverbindung ermöglicht, dass ein Sensor mehr als ein Signal ausgibt. Bisher war es so, dass nur binäre Signale ausgegeben wurden und damit konnte nur ein Signal ausgegeben werden. Über IO-Link kann man nun mehrere Signale ausgeben, etwa Echtzeitsignale oder Zustandssignale. Ein klassisches Beispiel sind Prozesssensoren, die neben Druck- Strömungs-, Durchfluss- und Füllstandssignalen auch Temperatursignale ausgeben können. Diese Information war schon bisher im Sensor verfügbar, wurde aber nicht ausgegeben und IO-Link ermöglicht es nun diese Signale nach außen zu geben. Diese Entwicklung betrifft den Sensor als Komponente. Eine weitere Entwicklung im Hinblick auf Sensoren der Zukunft ist, dass Sensoren zunehmend Zustandsdaten der Maschine erfassen, wie zum Beispiel die Temperaturverläufe in der Maschine. Zudem ermöglichen die Sensoren ein Prozess-Monitoring, um anschließend auf Qualitätsthemen zurück schließen zu können, indem man entlang der Produktionskette entsprechende Prozesse misst. Ein weiteres Beispiel sind Sensoren die OEE- oder Qualitätskennzahlen erfassen. Durch diese Aufgaben verändern sich die Sensoren. Wir werden in Zukunft intelligentere Sensoren mit mehr Rechenleistung haben, RFID-Sensoren oder Sensoren für Bildverarbeitung, die optische Signale erfassen. Aber eben auch Komponenten, wie Lagerwächter für die Schwingungsdiagnose.

KEM Konstruktion: IFM hat ein breites Produktportfolio das von Positionssensoren sowie solchen für Motion Control über die industrielle Bildverarbeitung bis hin zu Identifikationssystemen und Lösungen zur industriellen Kommunikation reicht. Welcher dieser Bereiche ist für Ihr Unternehmen der wichtigste beziehungsweise wo setzen Sie die Innovationsschwerpunkte?

Buck: Die IFM-Gruppe ist ein Unternehmen, in dem jeder einzelne Unternehmensbereich innovativ ist und sein muss, deshalb kann ich keinen Bereich hervorheben, der alleiniger Innovationsschwerpunkt wäre. Alle unsere Produkte werden stetig weiterentwickelt. Die Notwendigkeit, Produkte stetig weiter und neu zu entwickeln, mache ich gern am Beispiel einer ganz normalen Schraube deutlich. Wenn ich mir anschaue, wie eine Schraube vor 50 Jahren aussah und wie sie heute aussieht, dann ist nichts an dieser Schraube gleichgeblieben, es hat sich alles verändert. Aus der Schlitzschraube ist eine mit Kreuzschlitz- oder Innensechskant-Schraube geworden und auch das Gewinde hat sich verändert, obwohl es immer noch eine Schraube ist und auch die Funktion als solche gleichgeblieben ist. Das heißt, selbst an einem so einfachen Teil wie einer Schraube hat eine Menge Innovation stattgefunden und wären die Hersteller diese Entwicklung nicht mitgegangen, wären sie heute nicht mehr am Markt. Was ich damit sagen will, IFM hat beispielsweise einfache Produkte wie induktive Sensoren, bei denen Innovation auch wichtig ist. In diesem Fall wirkt die Innovation nach innen. Als wir das letzte Mal unsere Plattform für induktive Sensoren überarbeitet haben, hat sich technisch alles verändert, nur von außen betrachtet, haben sie genau gleich ausgesehen. Es gibt andere Bereiche, da ist es genau anders herum – da geht die Innovation nach außen. Das betrifft die neuen Bereiche wie beispielsweise die Bildverarbeitung. Das sind aber auch Bereiche, wo es um Track & Trace Quality geht, also zum Beispiel RFID-Lösungen, oder Realtime Maintenance (RTM). Hier sind stetige Innovationen gefordert. Und nicht zuletzt spielt in diesem Zusammenhang das Thema Software eine wichtige Rolle. IFM bietet zunehmend Software als einen Werkzeugkasten an, um Lösungen zu entwickeln. In diesem Segment ist sehr viel Innovation gefordert, die nach außen geht. Insofern kann ich nicht sagen, in welchem Bereich Innovation wichtiger oder weniger wichtig ist. In den angestammten Bereichen, in denen die Innovation weniger nach außen sichtbar ist, ist sie aber dennoch eine Überlebensnotwendigkeit. Und genau das sind auch die Bereiche, die unsere Umsatzträger sind. In den anderen, neuen Bereichen sichern wir unsere Zukunft ab und da geht die Innovation eher nach außen.

KEM Konstruktion: Intelligente Sensoren im Feld können via IP direkt mit der ERP-Ebene kommunizieren. Sie haben den Begriff des Y-Wegs definiert, was ist gemeint?

Buck: Wir haben bereits im Jahr 2004 einen Sensor zur Lagerüberwachung entwickelt, der Prognosen macht, wann ein Lager kaputtgeht. Als wir diesen Sensor auf den Markt bringen wollten, haben wir uns aber schwergetan. Als wir die Ursachen dafür analysiert haben, haben wir festgestellt, dass wir einen Sensor gebaut hatten, der einen Maschinenzustand erfasst, aber die SPS in der Maschine interessiert der Zustand der Maschine gar nicht. Der Sensor hat aber sein Signal an die SPS abgegeben. Die Zustandsinformationen der Maschine sind wichtig für den Einkauf, weil er Teile beschaffen muss, den Instandhalter, weil er die Instandhaltung planen muss sowie den Fertigungsplaner, weil er eine Produktionspause planen muss. Das heißt, die Sensorsignale sind nicht dort angekommen, wo man sie benötigt hat. Damit war uns klar, dass wir einen abzweigenden Pfad benötigen, um vom Sensor Signale direkt in die Büroebene auszugeben. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass wir einen entsprechenden Kanal vom Sensor ins ERP-System aufmachen müssen. Als dann das Thema Industrie 4.0 kam und das Erfassen der Maschinendaten immer wichtiger wurde, haben wir eine Weiche entwickelt, über die Signale einerseits zur SPS ausgegeben werden können und auf der anderen Seite bestimmte Signale direkt zur Büroebene geleitet werden können. Und das ist der Y-Weg. Der Gedanke dahinter ist, dass der eine Kanal dafür geeignet ist Echtzeit- oder Steuerungssignale zu verschicken, also wenige Daten, dafür aber in Echtzeit. Über den anderen Kanal lassen sich viele Daten verschicken, aber nicht notwendigerweise in Echtzeit. Um dies zu trennen haben wir den Y-Weg definiert und eine entsprechende Weiche in unsere Produkte eingebaut, sodass der Kunde entscheiden kann, wo will er welche Daten haben. Welche will er in der SPS haben und welche benötigt er im ERP-System.

KEM Konstruktion: Inzwischen setzt IFM zudem verstärkt auf die Entwicklung von Industrie-4.0-Lösungen und entsprechender Software- und Cloud-Produkte. Welche Gründe gibt es dafür und welche Lösungen sind das konkret?

Buck: Industrie 4.0 bedeutet ja, dass man Daten aus Fabriken erfasst und etwas mit ihnen macht. Daten allein haben aber noch keinen Wert, wir müssen Informationen daraus machen. Um aber aus Daten Informationen zu machen, braucht man Rechenleistung, denn man muss viele Daten, die weltweit gesammelt werden, auswerten und berechnen. Diese enorme Datenmenge lässt sich nicht in der Maschine verarbeiten, weil dafür eine zu große Rechenleistung benötigt wird. Hierfür eignet sich die Cloud. Das heißt also, wir sammeln die Daten mit der entsprechenden Fach- beziehungsweise Applikationskenntnis, verarbeiten sie und machen daraus Informationen. Und wir glauben, dass es wichtig ist, diese unstrukturierten Daten in der Cloud zu sammeln. Auf der anderen Seite, wenn man jetzt alle Daten aus der Maschine nur stur in die Cloud schieben würde, wären das nicht sinnvoll. Deshalb ist es wichtig, eine Datenvorverarbeitung zu machen. Und das wiederum ist der Grund, weshalb wir überzeugt sind, dass Lösungen wichtig sind, die Aufgaben an der Maschine oder nah an ihr erledigen. Ein Beispiel dafür ist RTM beziehungsweise Predictive Maintenance, etwa eines Kugellagers oder eines Filters. Diese Überwachung ermöglicht den Austausch dieser Komponenten nach Notwendigkeit. Das sind Dinge, die man frühzeitig in der Maschine verarbeiten kann und dann die Daten verdichten kann und dann nur die Daten in die Cloud gibt, die dort relevant sind. Ein anderes Beispiel: Es gibt viele Punkte, an denen Wärmemengen anfallen. Wenn ich an einer Stelle zwei Temperaturen und eine Strömung messe, dann kann ich bereits im Prozess eine Wärmemenge berechnen und muss nicht zwei Temperaturen und die Strömungsdaten in die Cloud geben. Das reduziert zum einen die weiterzugebende Datenmenge und zum anderen habe ich sofort interpretierte Daten in der Cloud. Es ist unsere Überzeugung, dass man eine Daten-Vorverdichtung in der Maschine braucht, wozu man Lösungen benötigt, also mehrere Sensoren und Software sowie die entsprechende Rechenleistung, die aus den Daten Informationen machen. In der Cloud sammelt man dann die Informationen und macht weitergehende Analysen, Stichworte sind hier Big Data oder Machine Learning.

KEM Konstruktion: Unter anderem bietet IFM im Rahmen seiner Industrie-4.0-Lösungen ein IIoT-Tool Kit an. Welche Komponenten/Produkte umfasst dieser Werkzeugkasten und welche Vorteile bieten die Lösungen den Anwendern?

Buck: Das IIoT-Tool Kit umfasst die komplette Prozesskette der Anlage vom Sensor bis hin zur Cloud. Das fängt an bei unseren IO-Link-Sensoren, die dann in einem IO-Link Master zusammengefasst werden, der auch Sensorsignale von Wettbewerbern einsammeln kann, geht weiter über das Edge Gateway sowie eine On-Premise-Lösung für die Software und schließlich bis hoch in die Cloudlösung. Das heißt, diese verschiedenen Komponenten auf dem Weg vom Shop Floor (Sensor) bis in den Top Floor (ERP/Cloud) und die entsprechende Infrastruktur dazu, gehören zu diesem Werkzeugkasten, inklusive einer Condition Monitoring Software zur kontinuierlichen Zustandsüberwachung, Datenauswertung und Organisation von Wartung an Maschinen und Anlagen. Damit hat man ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem man viele Applikationen regeln kann. Der klare Vorteil, den der Kunde dadurch hat, soll und muss der sein, das es für ihn Plug&Play-Lösungen sind. Denn es ist nicht akzeptabel, dass der Kunde zuerst ein großes Organisations- oder Integrationsprojekt machen muss, um Daten zu analysieren. Der Installationsaufwand muss klein und beherrschbar sein – also Plug & Play. Und das ist der Vorteil des Tool-Kits mit aufeinander abgestimmten Komponenten.

KEM Konstruktion: In Zusammenhang mit Industrie 4.0 spielen Standards eine Rolle, etwa das Thema OPC UA over TSN. Wie wichtig sind Standards im Allgemeinen und OPC UA over TSN im Besonderen?

Buck: IFM hat von Anfang an einen wichtigen Standard vorangetrieben – nämlich den IO-Link-Standard. Wir waren als Mitglied des Konsortiums in der Geburtsstunde von IO-Link mit dabei. Ich bin überzeugt, dass IO-Link ein ganz wichtiger Baustein war, der das Thema Industrie 4.0 erst ermöglicht hat, eben, weil es ein Standard ist. Nahezu alle Sensorhersteller verwenden diesen Standard. Das bedeutet, Standards sind wichtig. Denn sie machen das Leben einfacher, vereinfachen das Verbreiten von Lösungen, helfen im Zusammenhang mit Plug&Play-Lösungen. Aber es ist ebenso wichtig, dass Standards das Problem beziehungsweise die Probleme lösen. Bei IO-Link war es von Anfang an klar, dass wir eine Kommunikation benötigen, die im Sensor keine zusätzlichen Kosten erzeugt. Dadurch hat der Kunde die Wahl: Er kann viele Sensoren einkaufen und in seiner Maschine verbauen und hat keine Mehrkosten, weil der Sensor kommunizieren kann. Und er kann dann entscheiden, ob der Sensor kommunizieren soll oder ob es ein ganz normaler binärer Sensor sein soll. Auf diese Weise hat er die Skalierbarkeit und muss nicht für unterschiedliche Aufgaben verschiedene Komponenten kaufen. Aus meiner Sicht ist das ein ganz wichtiges Erfolgskriterium von IO-Link.

Wenn man in die Feldbusebene geht, haben die vielen Bussysteme den Nachteil, dass sie einen hohen Pflegeaufwand bedeuten. Wenn ich Lösungen für die Automatisierungstechnik anbiete und ich muss fünf Feldbusse pflegen, ist das natürlich aufwendig. Daher begrüße ich es sehr, dass man da bestrebt ist, zu einem Standard zu kommen. Und auch OPC UA ist hier eine Lösung, es muss aber auch gewährleistet sein, dass mit OPC UA over TSN die verschiedenen Applikationen gelöst werden können. Und es muss sich erst noch herausstellen, ob man damit die Anforderungen der verschiedenen Feldbusse, die es heute gibt, abdecken kann. Also Standards sind wichtig, aber sie müssen die technische Lösung bieten, um das Problem des Kunden zu lösen.

KEM Konstruktion: Sie haben in Ihrer Produktsparte IO-Link eine Reihe Lösungen im Angebot, unter anderem IO-Link-Positionssensoren oder ganz neu einen IO-Link-Multiturn-Drehgeber. Welche technischen Vorteile bieten diese Produkte und welchen Mehrwert haben Anwender von Ihrem Einsatz?

Buck: Bei den Positionssensoren haben wir ganz verschiedene Varianten, induktive, optische oder kapazitive Positionssensoren. Hier haben wir den Vorteil, dass man dank IO-Link zusätzlich zu binären Signalen auch ein Analogsignal ausgeben kann und das nicht mehr kostet als das bisherige Signal. Ich benötige keine Analogkarte, ich muss für den Übertragungsweg keine abgeschirmten Kabel verwenden und ähnliches, sondern kann relativ günstig ein Analogsignal übertragen. Für manche Prozesse ist das interessant, so könnte man zum Beispiel mit einem Positionssensor kontrollieren, ob sich etwa bei einem Ventilsitz etwas verändert, etwas verschmutzt ist, sich etwas abreibt, etc. Zudem kann ich damit eine Parametrierung machen. Gerade bei Drehgebern ist das ein gutes Feature, dass der Kunde den Drehgeber auch parametrieren kann. Das heißt, wenn ich von einem Produkt zum anderen die Anlage umrüste, kann ich die Parametrierung von diesen Drehgeber über die SPS vornehmen. Oder wie beim Positionssensor lassen sich auch mit dem Drehgeber Analogwerte übertragen.

KEM Konstruktion: Die Produkte und Lösungen von IFM kommen in ganz unterschiedlichen Branchen zum Einsatz, unter anderem in der Automobilindustrie, in der Verpackungstechnik oder bei Werkzeugmaschinen. Welche Produkte finden in den drei genannten Bereichen Verwendung und wie unterscheiden sich die Anforderungen dieser Branchen voneinander?

Buck: Zum einen haben wir es mit sehr verschiedenen Branchen zu tun, aber zum anderen gibt es in jeder Branche auch wieder ganz verschiedene Applikationen und Anwendungen. Wenn ich jetzt an die Automobilindustrie denke, ist es ein großer Unterschied, ob ich im Karosserie-Presswerk, in der zerspanenden Fertigung für den Motorblock oder in der Lackiererei bin. Das heißt, die komplette Branche anforderungsseitig über einen Kamm zu scheren, ist schwierig. Aber es gibt natürlich bestimmte Anforderungen, die in anderen Branchen nicht vorkommen. Ein wichtiges Thema in der Automobilindustrie ist das Schweißen. Für diese Anwendung müssen die Sensoren robust sein gegen elektromagnetische Wellen, die beim Schweißen entstehen, aber auch gegen die sogenannten Schweißperlen, damit diese nicht an den Sensoren anhaften und zu falschen Signalen führen. Und bei Anwendungen in der Lackiererei ist die Silikon-Freiheit eine Anforderung. Denn Silikon führt dazu, dass Lack abperlt beziehungsweise nicht haftet. Das sind klassische Anforderungen, die im Automobilbereich wichtig sind.

In der Verpackungsindustrie ist es so, dass es ganz unterschiedliche Materialien gibt. Eine Anforderung hier ist Papier – eventuell unterschiedlich bedruckt – zu detektieren, zudem müssen die Sensoren zuverlässig ein Verpackungsmaterial erkennen das verschiedene Farben hat, transparente Materialien wie etwa Folien müssen erkannt werden und ähnliches. Das sind Herausforderungen, die im Bereich der optischen Sensorik liegen. Wenn man den Bereich Verpackung für Lebensmittel geht, in dem regelmäßig Reinigungsprozesse stattfinden, da müssen die Sensoren robust sein gegenüber den Reinigungsmitteln und Reinigungsprozessen. Und die Reinigungsmittel enthalten Chemikalien, gegen die die Sensoren resistent sein müssen. Bei Werkzeugmaschinen geht es um Themen wie Kühlschmiermittel. Dagegen müssen die Sensoren robust beziehungsweise dicht sein, ebenso wie gegenüber Vibrationen.

KEM Konstruktion: IFM bezeichnet sich selbst als service-orientierten Sensorspezialisten. Was genau muss man sich darunter vorstellen?

Buck: Die Serviceorientierung beginnt damit, dass wir eine weltweite Vertriebsorganisation haben, die über 90 Länder verteilt ist. Damit können wir den Kunden eine direkte Ansprache garantieren. Zum Thema Serviceorientierung gehört aber auch, dass wir verschiedene Vertriebskanäle haben, also den Kunden eine sogenannte Omni-Channel-Betreuung bieten können. Das heißt, wir besuchen den Kunden, wir machen eine Telefonberatung, der Kunde kann sich im Internet beraten lassen, er kann über die direkte Betreuung Produkte kaufen oder er kann sie im Web-Shop kaufen. Dazu kommt eine Applikationsberatung, denn durch die große Zahl unserer Kunden haben wir auch viel Applikationserfahrung. Und der dritte Punkt ist, dass wir auch entsprechende Dienstleistungen beziehungsweise Service-Angebote anbieten, etwa Safety-Analysen. Das Thema Serviceorientierung, der Kontakt zum Kunden hat bei IFM hohe Priorität, was seinen Ausdruck auch in unserem Motto ‚Close to you‘ findet. Und das ist auch das, was die Kunden uns bestätigen.

KEM Konstruktion: Welche Leistungen muss ein Unternehmen heute über die eigentliche Sensortechnologie hinaus anbieten, um die flexible Produktion beim Kunden zu ermöglichen? Welche Bedeutung haben Online-Vertriebswege – insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise?

Buck: Wenn man das Thema Online-Shop herausnimmt, um Produkte zu verkaufen, hat sich dieser Vertriebsweg sicher positiv entwickelt. Vielleicht hat dies während der Corona-Krise etwas zugenommen, aber einen großen Einfluss sehe ich diesbezüglich nicht. Die Krise war und ist sicher ein Beschleuniger, Kunden auch online zu betreuen, denn von heute auf morgen konnte man Kunden entweder gar nicht mehr oder nur mit einem großen Aufwand besuchen oder Besuche wurden sogar direkt abgelehnt. Das heißt, wir haben viel investiert, um auch diesen Vertriebskanal aufrecht zu erhalten, indem wir den Kunden über Video bedient haben. Dazu haben wir ein eigenes Video-Studio aufgebaut, um unsere Produkte präsentieren zu können. Hier hat sich deutlich etwas geändert und wir haben deshalb einen neuen Kanal zur Produktvorstellung aufgebaut. Man muss ehrlicherweise aber auch sagen, dass gerade das Verkaufen von komplexen Produkten, die erklärungsbedürftig sind, über Video nicht so einfach ist, wie wir das gewohnt waren durch einen direkten Besuch beim Kunden.

KEM Konstruktion: Was hätte IFM denn an Neuheiten vorgestellt, wenn es dieses Jahr eine Hannover Messe und eine SPS gegeben hätte?

Buck: Wir hätten eine ganze Reihe von Produkten vorgestellt, Ihnen die alle hier aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, deshalb gehe ich hier mal nur auf ein paar Leckerbissen ein: Wir haben vorhin von Lösungen gesprochen. Für den Bereich der Mobilen Arbeitsmaschinen hätten wir einen „3D-Kollisionswarnsystem“ vorgestellt. Das ist eine Lösung, mit der das Umfeld einer Arbeitsmaschine erfasst werden kann, um das Arbeiten von Menschen im Umfeld der Maschine sicherer zu machen, und natürlich dem Maschinenbediener ein besseres Gefühl zu geben niemanden zu übersehen.

Im Bereich der Komponenten haben wir einen neuen Leitfähigkeitssensor für den Bereich der Analysesensorik, wie gesagt, es geht vermehrt darum nicht nur Schaltsignale, sondern auch Maschinenzustände oder eben Zustände von Medien zu erfassen.
Was die Kommunikation angeht verbinden wir mit dem IO-Link Master, der mit ASI kommuniziert, die Welten von IO-Link mit der von ASI, so dass der Kunde das Beste aus beiden Welten nutzen kann. Je nachdem was der Anwendungsbereich erfordert.
Und dann haben wir noch eine App entwickelt, wie gesagt, Software wird wichtiger. Mit der Mobile Configure App können die Daten aus unseren Sensoren angezeigt werden aber es kann auch die Parametrierung vorgenommen werden.

Sie sehen, dass waren nur jeweils ein Beispiel aus ganz verschiedenen Bereichen und nur eines davon einen neuen Sensor als Komponente. Wir sind eben auf dem Weg vom Komponentenanbieter zu einem Anbieter bei dem es auch Lösungen, Software und Datenübertragungswege gibt.

Quelle: wirautomatisierer.de